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12.09.2025 | Jennifer Josl
Tabuthema Beckenboden
Warum Frauen und Männer ihn trainieren sollten. Der Beckenboden ist eine Muskel- und Bindegewebsschicht, die den Boden des Beckens bildet und eine wichtige Rolle für die Stabilität des Rumpfes, die Funktion der inneren Organe und die Kontrolle von Blase und Darm spielt. Im folgenden Artikel werden die Funktionen des Beckenbodens genauer betrachtet und Übungen für eine starke Mitte vorgestellt.
Viele Frauen, die bereits eine Schwangerschaft und Geburt hinter sich haben, haben sich schon einmal mit ihrem Beckenboden beschäftigt – schließlich wird dieser in dieser Lebensphase oft stark beansprucht. In der Folge können sich Beschwerden wie Inkontinenz oder Rückenschmerzen bemerkbar machen. Auch wenn Männer diese Belastung nicht erfahren, lohnt es sich für sie, den Beckenboden zu trainieren: Ein starker Beckenboden kann Männern helfen, Inkontinenz vorzubeugen und zu behandeln sowie die Erektionsfähigkeit und sexuelle Leistungsfähigkeit zu verbessern.
Aufbau und Funktionen des Beckenbodens
Der Beckenboden besteht aus drei Muskelschichten, die sich vom Schambein bis zum Steißbein spannen und seitlich zwischen den Sitzbeinhöckern ansetzen. Er verschließt das Becken nach unten – und unterstützt die aufrechte Haltung.
Gleichzeitig stützt er innere Organe wie Blase und Darm sowie bei Frauen die Gebärmutter. Indem er die Schließmuskeln unterstützt, ist er wichtig für die Kontrolle von Blase und Darm. Bei der Frau regulieren die Beckenbodenmuskeln die Weite der Vagina. Durch bewusstes Anspannen und Lockerlassen lässt sie sich verengen oder entspannen, zum Beispiel während des Geschlechtsverkehrs. Beim Mann ist der Beckenboden besonders für das Zustandekommen und Halten einer Erektion wichtig.
Zudem arbeitet er mit der Bauch- und Rückenmuskulatur zusammen und ist so wichtig für die Stabilisierung des Rumpfes.
Mögliche Beschwerden bei Beckenbodenschwäche:
- Inkontinenz: Unkontrollierter Urin- oder Stuhlabgang, insbesondere bei Belastung wie Husten oder Niesen
- Senkungsbeschwerden: Gebärmuttersenkung (bei Frauen), Blasen- oder Darmsenkung
- Schmerzen: Chronische Beckenbodenschmerzen, Schmerzen in der Lendenwirbelsäule, beim Geschlechtsverkehr oder beim Wasserlassen
- Potenzstörungen/eingeschränkte Sexualfunktion
Wie lässt sich der Beckenboden trainieren?
Eine reflektorisch arbeitende Beckenbodenmuskulatur mit einem guten Tonus ist eine wichtige Voraussetzung für eine gute Haltung. Ohne sie wäre auch der aufrechte Gang des Menschen nicht möglich. Bei einem bewussten Aktivieren des Beckenbodens wird so eine Aufrichtung der Wirbelsäule direkt spürbar.
Das Spüren und Wahrnehmen ist beim Training des Beckenbodens sehr wichtig, schließlich sind die Muskeln unsichtbar und so nicht durch Beobachten oder Handauflegen zu kontrollieren. Beim Beckenbodentraining steht vor allem die Wahrnehmung des Beckenbodens in Bezug auf Druckeinwirkung im Fokus. Dies bedeutet zum Beispiel das bewusste Anspannen des Beckenbodens beim Heben eines schweren Gegenstandes. Zudem sollte der Beckenboden gekräftigt werden und den Trainierenden ein beckenbodengerechtes Verhalten beim Training und im Alltag gezeigt werden.
Die Beckenbodenmuskulatur kann willkürlich angespannt werden. Normalerweise arbeitet sie aber auch automatisch in koordinierten Bewegungsmustern mit. Besteht nun eine muskuläre Schwäche, geht man davon aus, dass kein automatisches Zusammenspiel mehr stattfindet. Daher muss eine geschwächte Beckenbodenmuskulatur zunächst isoliert gekräftigt werden, damit sie dann bewusst in andere Bewegungsmuster mit einbezogen werden kann.
Welche Übungen trainieren den Beckenboden?
Es gibt eine Vielzahl an möglichen Übungen, die den Beckenboden (mit-)trainieren. Sie erfordern wenig Equipment. Sinnvoll sind eine Matte, ein Pezziball sowie eventuell noch ein Hocker und ein Pilatesball. Hier einige Beispiele:
1) Vorbereitende Mobilisation für Hüftgelenke und Lendenwirbelsäule:
Die Teilnehmenden setzen sich auf den Boden, stützen die Hände hinter dem Rücken, die Beine sind leicht gebeugt. Sie werden nun angeleitet, das Becken in einer flüssigen Bewegung nach vorne und hinten zu bewegen. Anschließend bleiben sie auf den Sitzbeinhöckern sitzen und bewegen das Becken von dem einen Sitzbeinhöcker zum anderen. Im Anschluss kann die Bewegung kreisend ausgeführt werden.
2) Kräftigungsübung auf dem Pezziball:
Sitz auf dem Ball, Oberkörper wird mit langgezogener Wirbelsäule nach vorne verlagert und die Hände werden außen an die Knie gelegt. Ausatmend spannen die Teilnehmenden den Beckenboden an und die Knie leicht gegen die Hände nach innen. Spannung 5 bis 10 Sekunden halten und dann langsam lösen.
3) Rückenlage mit unterlagertem Becken:
Die Teilnehmenden liegen mit einem Pilatesball (oder einem zusammengerollten Handtuch) unter dem Becken in Rückenlage, die Beine sind angestellt und ein Bein wird im rechten Winkel angehoben. Ausatmend spannen sie den Beckenboden an, halten die Spannung, lösen sie wieder und stellen das Bein ab. Als Variante wird mit der Beckenbodenspannung das Bein von unten angehoben und unter Spannung wieder abgestellt. Dann wird die Spannung langsam gelöst.
Wie können Studios Beckenbodentraining anbieten?
Die einfachste Möglichkeit ist sicher, regelmäßig einzelne Beckenbodenübungen in Body-&-Mind-Kurse wie Pilates, Yoga oder Rückenfit einzubauen. Dies bietet sich an, da in diesen Kursen ohnehin die Körperwahrnehmung eine wichtige Rolle spielt und die Bewegungen bewusst und nicht zu schnell ausgeführt werden. Auch lassen sich viele Übungen durch eine Aktivierung des Beckenbodens leicht zu einer Beckenbodenübung erweitern.
Vor allem für gesundheitsorientierte Betriebe können sich gezielte Beckenbodenkurse über einen Zeitraum von sechs bis zehn Wochen lohnen. Diese Kurse bieten den Vorteil, dass die Trainerin den Teilnehmenden durch die feste Gruppenstruktur die Trainingsinhalte progressiv vermitteln kann. Zudem können hier auch wichtige Elemente wie die Vermittlung eines beckenbodenfreundlichen Alltagsverhaltens sowie ein Erfahrungsaustausch unter den Teilnehmenden integriert werden. Erfahrungsgemäß sollten diese Angebote nicht unter dem als wenig sexy wahrgenommenen Titel „Beckenbodenkurs“ oder Ähnlichem ausgeschrieben werden, sondern besser mit einem umschreibenden, attraktiver klingenden Kursnamen wie beispielsweise „Fitte Mitte“ oder „Core Training“. Läuft so ein Kurs einmal, hat er großes Potenzial, durch Mund-zu-Mund-Propaganda der Teilnehmenden in ihrem Bekanntenkreis auch (bisherige) Nicht-Mitglieder in das Studio zu locken – die Anzahl der Menschen im Alter über 40, die von dem Training profitieren, ist schließlich sehr hoch.
Eine weitere Möglichkeit ist der Erwerb eines EMS-Beckenbodenstimulationsstuhls, beispielsweise von der Firma PelviChair. Diese trainieren die Beckenbodenmuskulatur sehr effizient und haben den Vorteil, dass die Nutzung sehr einfach und sicher ist – und daher nur wenig Betreuung durch Trainer nötig ist. Durch den Verkauf von Zehnerkarten für die Anwendung kann sich so die Anschaffung eines Stuhls recht schnell amortisieren.
Fazit: Angebote lohnen sich
Vor allem für Clubs mit einem eher etwas älteren Klientel stellen Angebote für ein Beckenbodentraining eine gute Möglichkeit dar, sich als Gesundheits- beziehungsweise Reha-Studio zu positionieren. Gerade weil so viele Frauen und Männer im mittleren bis fortgeschrittenen Alter von Beckenbodenbeschwerden betroffen sind und diese Zielgruppen in vielen Fällen durch ein gezieltes Training relativ rasch eine Linderung ihrer Beschwerden spüren, sprechen sich qualifizierte Angebote schnell rum und können so den Club für neue Kunden attraktiv machen, die sonst eher kein Interesse an einer Mitgliedschaft gehabt hätten. Wichtig bei Kursen ist ein ansprechender Titel. Zudem sollte berücksichtigt werden, dass Beckenbodenbeschwerden leider bei vielen Betroffenen nach wie vor mit Scham behaftet sind. Daher sollten der entsprechende Kursraum sowie der Ort für einen EMS-Beckenbodenstuhl nicht prominent einsehbar sein und die Inhalte von Gesprächen zu Beschwerden, sei es bilateral mit der Trainerin oder innerhalb der Gruppe, sollten nicht nach außen getragen werden.
Buchtipp
Franziska Liesner: Mein Beckenbodenbuch: Mehr Kraft, erfüllte Sexualität, beweglicher Rücken. Trias Verlag, 144 Seiten, 24 Euro.
Autor
Jennifer Josl
Gastautorin Freie Fachredakteurin

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